Die besten Spirituosen

Burg Hardenberg und die Kunst der Distillerie

Der Stammsitz der verzweigten Adelsfamilie von Hardenberg liegt einige Kilometer nördlich von Göttingen in Nörten-Hardenberg, wo unterhalb der verfallenen Burg im Schloss noch heute die Grafen von Hardenberg residieren. In ganz Deutschland ist die Familie durch ihre bereits 1700 gegründete Kornbrennerei bekannt, deren Weizenkorn mit dem Keilerkopf zu den Traditionsspirituosen des Landes gehört. Hatte man vor einigen Jahrzehnten noch damit geliebäugelt, das Brenngeschäft aufzugeben, da es bei den niedrigen Preisen der Konkurrenz keine ausreichende Lukrativität versprach, geht es nach der Wiedervereinigung, anlässlich derer der Graf die sächsische Traditionsbrennerei Wilthen kaufte und in den Betrieb integrierte. Deren Wilthener Goldkrone ist mit 26 Millionen verkauften Flaschen pro Jahr die meistverkaufte deutsche Spirituose. Schon 1971 hatte Hardenberg die traditionsreiche Danziger Likörfabrik Der Lachs übernommen, deren Danziger Goldwasser mit seinen Blattgoldflocken europaweit seine Liebhaber hat.

Inzwischen hat sich das Portfolio der Brennerei deutlich erweitert. Bei meinem letzten Besuch in Nörten-Hardenberg hatte Carl Graf von Hardenberg jr. gerade den Von Hallers Gin auf den Markt gebracht. Der Name des Premiumgins erinnert an den Gelehrten und Pflanzenforscher Albrecht von Haller, einem Schweizer Universalgelehrten, der kurz nach der Gründung der Göttinger Universität dort den Lehrstuhl für Anatomie, Chirurgie und Botanik übernahm (heutigen Professoren dürfte es bei der Bandbreite des Aufgabengebietes ganz schwindlig werden), Leibarzt König Georgs II. wurde und unter anderem den Botanischen Garten anlegte. Sein Pioniergeist auf vielen Gebieten überzeugte und die von ihm 1736 dort angepflanzten Botanicals sind heute handverlesen die aromatische Basis des nach ihm benannten Gins.

Nicht alle Zutaten des Gins sind bekannt, aber Deutscher Ingwer, Zitronenverbene und eine besondere Fuchsienart sind unter den Botanicals. Der Ingwer verleiht dem 44 % vol. starken Gin eine leichte Schärfe, aber die verwendeten frischen Früchte machen ihn zu einem spritzigen Cocktailpartner. In der Brennerei in Nörten-Hardenberg hat man dafür in den vergangenen Jahren in neue Brennkessel investiert, in denen der Von Hallers Gin besonders langsam und schonend destilliert wird, um den Geschmack zu verfeinern.

Erstklassig verkosten kann man den neuen Gin aus dem Hause Hardenberg übrigens in der trendigen Herbarium-Bar im Göttinger FREIgeist-Hotel, die vermutlich auch Otto von Bismarck gefallen hätte. Dort dreht sich alles um die sechs Lebensphasen in der Pflanzenwelt - vom Samen über die Erde und das Blatt, weiter zum Holz und zur Blüte bis hin zur Frucht. Entsprechend gestaltet ist die Cocktail-Karte, auf der die Gäste in diesen sechs Rubriken 16 spannende Signature Drinks mit ungewöhnlichen Aromen wie Fenchel, Kümmel oder Koriander finden. Die frischen Kräuter dazu kommen direkt vom vertikalen Kräuterbeet der Barrückwand. Wie die Brennerei bei ihrem Von Hallers Gin arbeitet auch das Bar-Team eng mit dem Team des Alten Botanischen Gartens zusammen, um neue Zutaten zu finden. Beim gerührten Haller‘s Fix steht die Holunderblüte im Mittelpunkt, die mit Löwenzahn, weißem Wermuth und dem Von Hallers Gin ein blumig belebendes Geschmackserlebnis schafft.

(c) Nilgün Burgucu

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