Zu Gast in den USA, Kanada und den Andenstaaten

Trotz Trump & Co einen Besuch wert

Chicago - Home of the Blues

Tief hängt die Wolkendecke über dem Lake Michigan. Wir sehen Chicago erst wenige Augenblicke bevor der Kapitän unserer Boeing 777 die Maschine unsanft auf dem O’ Hare-Airport der Metropole des Mittleren Westens aufsetzt. Überraschend sind die relativ kurzen Zeiten für die Einreise. Zahlreiche Schalter, zur Hälfte für die rückkehrenden Amerikaner, zur Hälfte für die Gäste aus dem Ausland, sind mit weiblichen Beamten besetzt. Der Schock des 11. September sitzt noch tief, Unkenntnis über andere Länder, Sprachen und Kulturen bedingen ein mit Hingabe gepflegtes Misstrauen. Manch einer der Besucher wird einer scharfen Befragung unterwerfen, Ältere genauso wie Jüngere, die den Beamten suspekt erscheinen. Nach wenigen Minuten ist aber für die meisten die Befragung beendet und die Einreise in die USA gestattet.

Vor dem Terminal ein Schock. Wo in Deutschland Dutzende von Taxis auf Fahrgäste warten, wirkt Chicago wie auf einem deutschen Provinzflughafen. Erst als die Zentrale ein Taxi anfordert, kann es eine Viertelstunde später für knapp 40 Dollar auf den Weg nach Downtown Chicago gehen. Schon bald tauchen die Fassaden der berühmten Hochhäuser, des Sears Tower und des Hancock-Buildings auf und zeigen, dass das Ziel bald erreicht ist. Bis vor einem Jahrzehnt war der Sears Tower das höchste Gebäude der Welt, bevor Emporkömmlinge in China, Malaysia und Dubai ihn und seine lokalen Brüder zur Zweitklassigkeit degradierten. Mit dem Four Seasons und dem feinen Peninsula verfügt die Stadt über einige der besten Hotels des Landes, doch gibt es auch zahlreiche einfachere Bleiben, wie das Cass Hotel in der Wabash Avenue, nur einen Katzensprung von der Einkaufsmeile Michigan Avenue entfernt, wo preissensible Reisende eine zentrale, wenngleich nicht sehr komfortable und ruhige Unterkunft finden.

Die Stadt ist ein Schmuckkästchen an Hochhäuser aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende. Wie wohlhabend man durch Kaugummi und Zeitungen werden kann, präsentieren eindrucksvoll das Wrighley Building und das gegenüberliegende Stammhaus der Chicago Tribune. Den besten Überblick bekommt man auf einer Bootsfahrt mit dem Schiffchen der Chicago Architecture Foundation vom Anleger am Wacker Drive. Die Fahrt dauert nur etwas länger als eine Stunde, vermittelt aber einen kenntnisreichen Einblick in die Baugeschichte und die Arbeit der renommierten Chicago School of Architecture. Bei einem anschließenden Spaziergang sollte man unbedingt einen Blick in die schicke Lobby des Marquette Building werfen, wo ein Mosaikfries die indianische Herkunft des Namens erläutert. “Stinkende Zwiebel” hieß sie damals, was heute nur noch begrenzt zutrifft. Im Rookery Building lockt der stilvolle Lichthof von Frank Lloyd Wright. Aber auch Mies van der Rohe, Helmut Jahn und Josef Kleihues haben in den letzten 100 Jahren ihre Zeichen in der Stadt hinterlassen.

Mit dem Chicago Art Institute verfügt die Stadt über eines der führenden Kunstmuseen Amerikas und die Sammlung der Impressionisten, die das Museum durch Vermächtnisse und eine kluge Sammlungspolitik erworben hat, braucht Vergleiche mit den europäischen Topmuseen nicht zu scheuen. Im benachbarten Milleniumpark kommen in der Sommerzeit Freunde der klassischen Musik voll auf ihre Kosten. Das neue Pritzker-Open-Air-Auditorium vom kanadischen Stararchitekten Frank Gehry fasst 4000 Besucher und die Rasenflächen davor können noch weitere Tausende von Musikenthusiasten Platz bieten. Dreimal in der Woche finden dort kostenlose Sinfoniekonzerte statt. Wer Wert auf höchste Qualität legt, findet diese beim Chicago Sinfonie Orchester, unter dessen Leiter Daniel Barenboim es auch regelmäßig internationale Tourneen unternimmt. Bluesfans finden in einem der zahlreichen Musiklokale im Zentrum einen wahren Blues Heaven. Viele der führenden Musiker treffen sich regelmäßig in Chicago, um gemeinsam zu musizieren.

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