Die schönsten Eckchen Deutschlands

Warum in die Ferne schweifen...

Sportlich-kulinarisch durch die Mark Brandenburg

Boot am Anleger

(c) Petzow/Havelland Tourismus

Gourmetküche im Hasenpfeffer

(c) Michael Ritter

Brandenburg - mehr als nur der Herr von Ribbeck

Brandenburg rahmt die deutsche Hauptstadt Berlin ein, bildet quasi in deren Umfeld den Speckgürtel der Metropole..Mit gut 2,5 Millionen Einwohnern leben gerade einmal zwei Drittel der Berliner Bevölkerung in dem Land zwischen Oder und Elbe. Bis zur Wiedervereinigung war es für viele Wessis Terra Incognita. Man kannte zwar – meist auch nur aus Erzählungen - die Hauptstadt Potsdam, das Schloss Sanssouci des Alten Fritz, Fontanes Ballade von Herrn Ribbeck zu Ribbeck im Havelland und die leckeren Spreewälder Gurken, doch der Rest war unbekannte Heimat. Doch in den Jahren seit der Wiedervereinigung haben es die Brandenburger geschafft, ihr geheimes Juwel zu einem Top-Reiseziel zu machen – nicht nur für ausflugslustige Berliner und deren Gäste. 2020 kannten bereits drei von vier Bundesbürgern Brandenburg als Reiseziel, zwei Drittel spielen mit dem Gedanken, es in den nächsten Jahren zu besuchen und fast der Hälfte ist es als Destination sympathisch. Kein Wunder, dass im Gegensatz zu allen anderen neuen Bundesländern, Berlin in den Jahren seit der Wende zwar auch einen Exodus erleiden musste, diesen aber bis 2022 ausgleichen konnte, indem man staatlich die Rückkehr oder den Zuzug förderte.

Wir haben uns bei unserem Besuch auf das Gebiet westlich der Hauptstadt Potsdam entschieden: das Havelland. Viele Pennäler kennen wahrscheinlich noch den Birnbaum in Ribbeck im Havelland in Erinnerung, dem Theodor Fontane mit seiner Ballade ein Denkmal gesetzt hat, die Marcel Reich-Ranicki in seinen Kanon der deutschen Literatur aufnahm. Der Autor, der mit Effi Briest, dem Vorreiter des deutschen Gesellschaftsromans, die harten Konsequenzen widerspiegelt, die ein Verstoß gegen die bürgerliche Moral der Wilhelminischen Ära für die unglückliche Protagonistin nach sich zog, kam vor gut 200 Jahren in Neuruppin zur Welt. In seinem fünfbändigen Werk „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ beschreibt er anschaulich Landschaften, Orte, Klöster und Schlösser, aber auch die Bewohner und ihre Geschichten. Seine Eindrücke hielt er in Skizzen und Zeichnungen in seinen Notizbüchern fest. Die Idee dazu kam ihn bei einer Reise nach Schottland, wo er wehmütig an die Heimat dachte und sie nicht minder schön fand. „Geh‘ hin und zeig‘ es!“ sagte er sich, durchstreifte mehrere Jahrzehnte seine Heimat und schrieb darüber.

Alte Brennerei Ribbeck

(c) Michael Ritter

Besuch in Fontanes Ribbeck

Birne in Ribbeck

(c) Michael Ritter

Das Dörfchen Ribbeck, dessen Name und Birnbaum er später weit über Brandenburg hinaus bekannt machte, kommt in den Wanderungen zwar nicht vor, war aber unser erstes Ziel der kurzen Reise ins Havelland. Dominiert wird es vom neobarocken Schloss, das heute das ehemalige Rittergut der von Ribbecks dominiert. Im feinen Schlossrestaurant kann man speisen und bekommt im Fontane-Museum einen Einblick in die Geschichte der Region und die Welt Fontanes. Nach dem Krieg enteignet, ließ sich kein Investor für das heruntergekommene Schloss finden. Schließlich erbarmte sich der Kreis und heute machte es nach gründlichen Renovierungen wieder herzeigbar. Heute hat hier der Tourismusverband Havelland seinen Sitz, der Besuchern wertvolle Anregungen für Besuche in der Region geben kann.

War Fontane jemals selbst in Ribbeck? Nachweisen lässt sich ein Aufenthalt im Ort nicht. Er dichtet in seiner Ballade vom „Doppeldachhaus“ aus dem man den toten Herrn Ribbeck herausträgt. In seiner heutigen Form kannte er das Schloss aber wohl nicht, denn es entstand erst ein paar Jahre nach der Ballade und viele Jahre nach den Wanderungen.

Für die Landesgartenschau hatte man 2006 hinter der Alten Brennerei der von Ribbecks den »Deutschen Birnengarten« angelegt, in dem 14 verschiedene Birnensorten einen kleinen Überblick über die Vielfalt dieses leckeren Obsts geben.

Zu Kaffee und Kuchen kann man bei Frau Wesche's Waschhaus Café einkehren und ihre üppigen Torten probieren. Es war wohl nicht leicht für die Nachfahren der von Ribbecks, sich nach der Wiedervereinigung mit den Behörden zu einigen, doch inzwischen hat Friedrich von Ribbeck einige der alten Gebäude übernommen und produziert dort im hauseigenen Gärkeller einen aus Birnen der Familie gewonnen Essigbalsam. Auch die verschiedenen Spirituosen und Liköre sind ein nettes Mitbringsel, stammen aber nicht aus Ribbeck. Die Gruft des einstigen Birnenliebhabers findet sich in der Kirche, deren Adresse sinnigerweise „Am Birnbaum 2“ lautet. Der berühmte Birnbaum über der Gruft ist schon vor dem Ersten Weltkrieg einem Sturm zum Opfer gefallen, doch Anfang des neuen Jahrtausends wurde eine neuer Birnbaum gepflanzt, der an ihn daran erinnert, denn rund um den Dorfkern möchte man die einträgliche Geschichte gerne weiterleben. So kann man das Dorf auf einem Rundgang bei einer Szenischen Führung erleben, bei dem der Schulleiter der Alten Schule mit Humor die Vergangenheit präsentiert und den Besuchern Interessantes und Skurriles erzählt.

Loch 18 auf dem Inselgrün

(c) Michael Ritter

Golfrunden auf märkischem Sand - Golfresort Semlin

Gourmetküche im Hasenpfeffer

(c) Michael Ritter

Quartier haben wir in einem Ortsteil der alten Garnisons- und Optikstadt Rathenow bezogen. Der über 700 Jahre alte Rathenower Stadtforst, in dem noch vor gut einer Generation die Sowjets Schießen übten, grenzt direkt an das angenehme Golf Resort Semlin. Mitten im Herzen des Naturparks Westhavelland haben Gäste dort nicht nur die Möglichkeit in zwei Minuten vom Zimmer zum Abschlag auf dem großen Golfplatz zu gelangen, sondern auszuspannen und in der Ruhe des Havellands zu wandern, radeln oder die zahlreichen Seen mit dem Boot zu erkunden. Zum Beispiel eine dreistündige Wanderung rund um den Wolzensee, bei der man hinterher im urigen Holzhaus am Wolzensee einkehren kann, wo Vasile Chifan gerne mediterran inspirierte Pilzgerichte serviert. Oder eine Tageswanderung entlang des Ufers des nahen Hohennauener Sees.

Feinschmecker kommen im „Hasenpfeffer“ im Golf Resort voll auf ihre Kosten. Es ist das kleine ans Hotelrestaurant anschließende Gourmetrestaurant. Namensvetter ist ein gewürztes Ragout aus Hasenfleisch, das sich als Braten nicht eignet und deshalb in einer fein abschmeckten Tunke serviert wird. Die Menüs von Küchenchef Christoph Franz, einem Enddreißiger aus Magdeburg zeugen von seinem Faible für Wildgerichte. In der Confrérie de la Chaîne des Rôtisseurs, die ihn vergangenes Jahr in ihre Reihen aufgenommen hat, ist er deshalb gut aufgehoben. Die Gesellschaft beruft sich auf die Traditionen und Praktiken der königlichen „Gilde von Gänseröstern“, deren Tätigkeit später auf das Rösten allen Geflügels, Fleisch und Wild ausgeweitet wurde. Vor allem in der Jadgsaison im Herbst und Winter bietet das „Hasenpfeffer“ leckere saisonal geprägte Menüs mit regionalen Produkten an, die direkt vom WildJaeger aus dem benachbarten Stechow-Ferchesar geliefert werden. Nur beste Qualität kommt da auf den Tisch. Wer mag, kann mit einem erfahrenen Begleiter selbst rund um den Golfplatz auf die Jagd gehen. Doch auch wer kein Fan von Wildgerichten ist, findet mit bretonischem Steinbutt, Hummer oder Gerichten mit Périgord-Trüffel eine Auswahl.

Auf Anzug und Krawatte kann man in der legeren Atmosphäre getrost verzichten. Der Service ist fachkundig, locker und unverkrampft und entspricht dem sportlichen Charakter des Resorts. Die präsentierte Aromen-Küche macht den Besuch zu einem außergewöhnlichen Erlebnis.

Am nächsten Morgen mache ich nach ein paar Bällen auf der Driving Range zusammen mit Jean-Michele Grotzke von Florian Zunkers Golfakademie, eine Runde auf Brandenburgs ersten Golfplatz, der seine Anlage im Jahr 1993 - wie manches in der Region - dem Fall der Mauer zu verdankt. Damals konnte der Berliner Unternehmer Michael Lieberkühn endlich seinen Plan eines neuen Golfplatzes für die Berliner realisieren. Drei Jahre später war auch das Resort fertig, von dessen Balkon ich einen herrlichen Blick auf das auf einer kleinen Insel im umgebenden Teich gelegene Loch 18 habe, den anspruchsvollen Abschluss der großen Runde. Nicht nur hier haben auch erfahrene Golfer gute Chancen, sich von dem ein oder anderen zu kurzem oder zu lang geschlagenem Ball zu verabschieden. Wer mag, kann die 27 Löcher des Platzes in 9er-Runden aufteilen. Kürzlich wählte man das GolfResort Semlin bei einer Leserwahl unter die TOP 10 der besten „Resorts & Hotels Deutschlands“. Die Bahn 16 wurde als eine der schönsten in Deutschland ausgezeichnet. Längst sind es nicht nur die Westberliner, die hier spielen. Auch viele neue Golfliebhaber aus Rathenow und Umgebung nutzen das tolle Angebot, denn Golf ist auch in Deutschland inzwischen nicht nur ein Sport der Elite. Anfänger können auch ohne Platzreife für 10 Euro eine 9-Löcher-Runde auf den kleinen Pay & Play-Kurzplatz spielen.

Werder von der Havel

(c) Michael Ritter

Ausflug nach Werder

Zum Rittmeister

(c) Michael Ritter

Bei einem Ausflug geht es in Richtung Potsdam ins beschauliche Städtchen Werder. Der Ort ist bekannt für seinen Obstanbau und inzwischen lieben auch viele Westdeutsche den Ketchup aus der vor 150 Jahren gegründeten Fabrik. Die meisten Besucher zieht es auf die Insel, die inmitten der hier teilweise über einen Kilometer breiten Havel liegt und die Altstadt beherbergt. Die Lage brachte auch den Stadtnamen, der Insel im Fluss bedeutet. Ich hatte Ende der 90er Jahre zum ersten Mal Werder besucht. Damals auf einer Radtour vom nahen Potsdam. Damals interessierte ich mich in erster Linie für den 84 Meter hohen Wachtelberg mit seinem sandigen Boden und den Weinbau, der dort auf knapp 5 ha Rebfläche erfolgt. Für ein eigenes Anbaugebiet zu klein, ist Werder eine Exklave des Weinbaugebiets Saale-Unstrut. Es waren lange die nördlichsten Lagen für Qualitätswein, doch hier dürfte der Klimawandel noch für einige Verschiebungen sorgen. Der Müller-Thurgau, Regent und Dornfelder-Weine sind absolut trinkbar.

In der schmucken Inselstadt locken Besucher die keinen Gassen, alten Fischerhäuser und die rekonstruierte Bockwindmühle. Man erreicht sie über die Föhse, den schmalen westlichen Arm der Havel. Nahe der Mühle steht auch das Alte Rathaus auf der höchsten Erhebung der Inselstadt. Man merkt die Nähe zu Berlin. Der Ort ist immer gut besucht und wer sich einen noch besseren Eindruck verschaffen möchte, kann es auch mit dem Boot von Berlin oder Potsdam aus erkunden.

Große Küche wird auf der Insel bei der historischen Fähre zum "Wildpark West" geboten. Die Alte Überfahrt ist inzwischen das Tätigkeitsfeld von Patrick Schwatke und Thomas Hübner, die frische saisonale Gerichte aus der Gourmetküche auf Sterne-Niveau servieren und die neben ihrem normalen Michelin-Stern auch einen grünen für ihre nachhaltige Küche erhalten haben. Leider kochen sie aber nur an den Wochenenden auf zur Mittagszeit, weshalb ich dem Fritz am Markt einen Besuch abstatte. Es ist das Restaurant den kleinen Boutique Hotels mein.werder am historischen Marktplatz. Gestartet war man dort Anfang 2020, gerade als die Pandemie begann. Kein guter Zeitpunkt für Gastronomie und Hotellerie. Doch Initiator und Gastgeber Friedrich W. Niemann hatte zum Glück schon Jahrzehnte Erfahrung in der Leitung internationaler Luxus Hotels sammeln könne und so vermasselte Corona zwar den Start, aber inzwischen nutzen die Gäste gerne die besondere Basis in Werder, die ihnen neben Entspannung und Erholung, guten Service und erstklassiges Essen bittet.

Die Karte ist klein, man beschränkt sich auf ausgefallene und radikal regionale Gerichte: Brandenburger Tapas! Die Gerichte sind ausgesprochen kreativ und streng saisonal. Entsprechend oft wechselt monatlich auch die Speisekarte, die als fixes Element immer Müseler’s Brot enthält, das Küchenchef Christian Heymer vom Bäcker Sven Müseler bezieht. Der backt in Potsdam, was fast schon an der Grenze seines Einkaufreviers liegt, denn weiter als 15 Kilometer soll keine der verwendeten Zutaten (auf)gewachsen sein.

Da ist Heymer streng und macht auch bei vielen Gewürzen keine Ausnahme. Beim Käse hat er allerdings wegen der besseren Qualität eine Ausnahme gemacht und bezieht ihn aus der Nähe von Husum vom Backensholzer Hof. Doch sonst funktioniert dieses Konzept recht gut. Heymer hat neben dem Brot neun Brandenburgische Tapas auf der Karte. Die kleinen Gerichte kosten 12 und 22 Euro und sind sowohl sprachlich sehr kreativ, wie „Wo der Hase begraben ist“, wie von den Zutaten Bundmöhre, Aprikose und Kartoffel. Der servierte Zander für das „Zändwich“ stammt vom lokalen Fischer Kühn, das Gemüse lokalen Bauern. Fisch und Fleisch sind eher zweitrangig, da der pflanzlichen Kost das Schwergewicht eingeräumt wird und man dort prima vegan oder vegetarisch essen kann. Auch bei der Getränkekarte hat man viele Weine und Spirituosen aus der Umgebung auf der Karte. Heymer und sein Service empfehlen den Gästen das Sharing Prinzip, bei dem sich die Gäste mehrere Gerichte von kleinen Platten teilen. Für viele traditionell veranlagte Gäste ist das nichts, denn Currywurst und Schnitzel sucht man vergebens. Da passiert es auch immer wieder einmal, dass Besucher nach dem Studium der Speisekarte das kleine Lokal mit seinen 24 Plätzen verlassen.

Ein paar Kilometer außerhalb des Orts liegt das historische Hofgut Kemnitz, in dem 2014 unter dem Namen „Zum Rittmeister“ ein schmuckes Restaurant, ein kleines Hotel und vor allem eine kleine Brauerei eingezogen sind. Das alten Gebäude wurde dafür sehr schön restauriert. Hier werden kulinarische Traditionalisten sicherlich eher fündig, als bei fritz am markt. Neben Edelpils und Schwarzbier gibt es dort immer auch saisonale Brauspezialitäten die das Werderaner Festbier, Roggenbräu oder Orange Ale.

Die nächste Station meiner kleinen Rundreise durch das Havelland führt mich nur wenige Kilometer durch den Wald in den Ortsteil Derwitz. Dort hatte Otto Lilienthal, über den man im Deutschen Technikmuseum in Berlin noch sehr viel mehr erfahren kann, seine ersten Gleitflugversuche gestartet. Der 1848 geborene und 1896 bei einem Flugversuch verstorbene Flugpionier Otto Lilienthal hatte ab 1891 erfolgreich die Grundlagen des Fliegens erforscht und erste Gleitflüge unternommen, die von der Luftfahrttechnik zur Basis ihrer rasanten Weiterentwicklung wurden. Gestartet ist er anfangs in einer Sandgrube am Nordhang des Spitzberges bei Derwitz, wo ihm mit dem Derwitzer Apparat schon Gleitflüge über 25 Meter glückten, die er später an anderer Stelle auf bis zu 250 Meter verlängern konnte. Im Lilienthal Gedenkhaus neben der Kirche des Orts erinnert eine kleine Ausstellung mit Modellen, Dokumenten und Bildern an die ersten fotografisch festgehaltenen Flugversuche und auf dem Spitzberg, dem ersten Flugplatz der Welt, hat man ihm 1991 ein Denkmal zum 100-jährigen Jubiläum des ersten Menschenflugs errichtet, das den stilisierten Flugapparat in Originalgröße zeigt.

fritz am markt in Werder

(c) Michael Ritter

Wir kommen wieder

ausgefallene Speisekreationen bei frit.am markt

(c) Michael Ritter

Hoch sind die „Berge“ im Havelland nicht, aber sie bieten eine schöne Abwechslung und ermöglichen immer wieder Ausblicke auf die seenreiche Landschaft. Ob sie nun einen kürzeren oder längeren Besuch im Havelland planen oder nur mit der Regionalbahn von Berlin aus einen Tagesausflug machen – im Havelland gibt es viel zu entdecken. Zum Beispiel den Ritter von Kalebuz der im späten 17. Jahrhundert als Grundherr gerne das „Recht der ersten Nacht“ bei Neuvermählten einforderte und nach seinem Tod nicht verwesen wollte. Doch das ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll. Bleiben Sie neugierig!

© Michael Ritter

(c) Connaisseur & Gourmet 2021